Dieses Buch hatte ich schon einmal vor Jahrzehnten gelesen, es war mir aber mittlerweile wenig erinnerlich. Klar, das Thema (Lingua tertii imperii — die Sprache des dritten Riches) Und auch, daß ich beeindruckt war.
Nun, mit der AfD und besonders der Höcke-Rhetorik, gibt es wieder Grund, das zu lesen. Auslöser war dann das abgebrochene Höcke-Interview mit den Höcke-Zitaten, die genausogut auch aus Hitlers Mein Kampf hätten stammen können.
Höckes Sprache ist ganz fraglos zu wesentliche Teilen LTI, und Sprache ist immer Denken. Von daher: Höcke ist unzweifelhaft der nazistischen Ideologie verhaftet, Klemperer kann es belegen.
Und damit zum Buch: Der Autor ist ein unfaßbar belesener Romanistik-Professor. Und Jude in Dresden, den ganzen Faschismus hindurch — jedenfalls bis zum verheerenden Bombardement am 13. Februar 45. Er landet nur in keinem Vernichtungslager, weil er mit einer Deutschen verheiratet ist. Es gibt eine wunderbare Liebeserklärung an seine Frau, ohne ihren Namen zu nennen. Finden müßt ihr das selber 🙂
Er hat all die Jahre Aufzeichnungen gemacht, Aufzeichnungen zu Wörtern und deren Bedeutungsverschiebungen. Es geht nicht um Grammatik oder Satzbau, sondern allen um Wörter — von daher hätte das Buch wohl besser Verba tertii imperii geheißen. Durch diese linguistische Arbeit und durch die Unterstützung seiner Frau und einer sehr übersichtlichen Anzahl guter Menschen hat er überlebt.
Ehrlich gesagt: Nach einem Drittel wurde mir der philologische Teil langweilig. Noch ein Beispiel für sprachliche Verrohung, und noch eins, und noch eins. Das ist wichtig für Wissenschaftler, weniger aber mir. Doch ist das Buch eben auch eins darüber, wie er im Nazismus überlebt. Und das bleibt spannend. Möglicherweise sind die Tagebücher da noch aussagekräftiger.
Zum Ebook: Das ist leider lieblos geraten. Es sind Fußnoten im Lauftext gesetzt, die aber keine Links zu Fußnoten sind, sondern einfach nur Zahlen in eckigen Klammer. Ein Tap bewirkt gar nichts. Andererseits gibt es Links, die zu Endnoten führen. Von dort geht es dann aber nur umständlich wieder in den Text zurück.
Das hätte man besser machen müssen. Die Endnoten selber sind wirklich beachtenswert, das Papierbuch ist offensichtlich gut lektoriert.
Leseempfehlung?
Ja, wenn man der AfD ins Gehirn steigen mag und/oder an Sprache im Nazismus interessiert ist. Aslle anderen sollten aber wenigstens ein oder zwei Kapitel gelesen habe, ich finde, für Deutsche gehört das zur Allgemeinbildung.
#ausgelesen