Jurek Becker, Jakob der Lügner

Was für ein Buch!

Die­ses gehört zum Beein­dru­ckends­ten, was ich in letz­ter Zeit gele­sen habe.

Die Geschich­te spielt in einem namen­lo­sen jüdi­schen Ghet­to irgend­wo in Ost­eu­ro­pa. Es gibt einen eben­so namen­lo­sen Erzäh­ler, der die Geschich­te von Jakob Heym erzählt, einem schein­bar etwas älte­rem Juden, frü­her hat ihm eine Wirt­schaft gehört: win­ters Kar­tof­fel­puf­fer, som­mers Eis.
Das Ghet­to ist sozu­sa­gen schon immer da gewe­sen, nur manch­mal erin­nern sich die Men­schen, wie es vor dem Ghet­to und vor dem Krieg war. Die jüdi­schen Män­ner arbei­ten am Bahn­hof, ver­la­den Güter. Manch­mal kommt ein Zug mit Vieh­wa­gen vor­bei, in ihnen Men­schen. Jeder weiß, wel­chem Schick­sal die­se Men­schen entgegenfahren.
Eines Tages schnappt Jakob in einer deut­schen Ver­wal­tungs­stel­le einen Fet­zen aus einem Radio auf: Kämp­fe bei (den Namen des Ortes habe ich ver­ges­sen). Der Ort ist nicht ganz dicht, aber doch so dicht, daß man ihn kennt, die Kämp­fe zwi­schen den Deut­schen und der Sowjet­ar­mee wer­den Jakob also bewußt.
Und so beginnt die Geschich­te: Jakob erzählt sei­nem bes­ten Freund von den Kämp­fen, aber nicht etwa, daß er das im Radio auf einer deut­schen Wachstu­be auf­ge­schnappt hat, da ist noch nie ein Jude lebend wie­der raus­ge­kom­men, des­we­gen wür­de nie­mand ihm das glau­ben. Aber er möch­te, daß die Kämp­fe bekannt wer­den, damit die Men­schen Mut fas­sen. Und so lügt er, er hät­te sel­ber ein Radio und es eben mit die­sem Radio gehört. Selbst­ver­ständ­lich wür­de es den sofor­ti­gen Tod bedeu­ten, wenn die Deut­schen ein Radio fän­den oder auch nur den Ver­dacht bekä­men, Jakob wür­de ein Radio besitzen.
Die Nach­richt von den Kämp­fen spricht sich schnell im Ghet­to her­um, die Leu­te begin­nen Mut zu schöp­fen — und ver­lan­gen nach mehr guten Nach­rich­ten, denn Jakob säße mit sei­nem Radio ja an der Nachrichtenquelle.
Aber Jakob hat eben kein Radio und so erfin­det er immer wie­der neue hoff­nun­ger­we­cken­de Nach­rich­ten. Der­weil geht das Leben im Ghet­to wei­ter. Men­schen wer­den erschos­sen, brin­gen sich um, ein auf­ge­weck­tes klei­nes Mäd­chen, des­sen Eltern abge­holt wur­den, wird versteckt.
Jakob fällt es immer schwe­rer, neue Nach­rich­ten zu erfin­den, und em Ende gibt es zwei Enden, aus denen wir Leser wäh­len können.
Bei­de sind nicht schön.

Eine sehr trau­ri­ge, poe­ti­sche und manch­mal auch lus­ti­ge Geschich­te, zau­ber­haft geschrie­ben. Unwei­ger­lich kom­men beim Lesen Gemäl­de von Chagall in den Kopf, die sind eben­so bunt, phan­tas­tisch, absurd.

Der Wiki­pe­dia-Arti­kel zum Buch hat noch eini­ge Hintergrundinformationen

Lese­be­fehl!

#aus­ge­le­sen

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