nun reden alle über Artikel 13 und wie schlimm das doch alles sei. Wegen der Uploadfilter.
Als ich das erste mal mit dem Internet zu tun bekam, so um 1991 herum, da hat noch jeder Mailserver auf der Welt Mails für jeden und von jedem entgegengenommen. Es gab keinen Spam, weil es kein Geld zu verdienen gab.
Wir hatten im Thurnet einen Webmaster, der allen dynamischen Content (es gab ausschließlich cgi) in C geschrieben hatte, weil es schlicht nichts anderes gab, das schnell von stdin nach stdout schreiben konnte.
Wir hatten Usenet mit UUCP (später dann UUCP-over-IP), mit einer robusten Architektur, von der das Fediverse 25 Jahre später nur träumen kann. Wir hatten gepflegte Flamewars, in denen eher mit dem Florett gefochten als wie heute mit Knüppeln aufeinander eingeschlagen wurde.
Natürlich hielt die Unschuld nicht ewig. Der ewige September (die Jugend ist zum Googlen aufgefordert) und die Glücksritter, die einen weiteren Vertriebskanal rochen, beide haben das Internet auch technisch kaputt gemacht.
Ich weiß das, ich betreue Mailserver, Firewalls… seit gefühlt acht Jahrzehnten. Die allermeiste Arbeit besteht darin, die Infrastruktur vor den Idioten da draußen zu schützen, das ist aber völlig unproduktiv.
Wenn man im Internet Geld verdienen will oder doch wenigstens die Investitionen wieder reinhaben will, dann braucht man walled gardens. Das ist noch nicht Facebook, das ist erstmal AOL, Yahoo, MSN… Ja, und die Entwicklung geht dann weiter zu Facebook, Twitter, Instagram … alles bewußt inkompatibel.
Wir alten Säcke haben es damals, als wir noch vergleichsweise junge Säcke waren, nicht geschafft, die simple Internet-Idee: jeder kann Anbieter sein, jeder kann Konsument sein, unseren Altersgenossen in die DNA zu tackern.
Ich bin nun 57, in dem Alter der alten Männer mit Kugelschreibern, die gerade ihre völlige Inkompetenz, in technischer wie sozialer Hinsicht, gegenüber dem Internet nachweisen. Und ich frage mich: Was hat meine Generation falsch gemacht? Eins ganz sicher: Wir sind damals neuen Nutzern mit schneidender Überheblichkeit entgegengetreten — wir wollten unter uns Geeks bleiben. Wer seine Signatur nicht mit “-- \n
” abgetrennt hatte, war zum Abschuß freigegeben.
Und die nächste Generation, also die, die 30 und jünger sind, die kennt nur noch das Internet der großen Konzerne.
Und genau das haben wir alten Säcke wohl verkackt: Wir haben das Internet den Konzernen überlassen.
Und da gab es und gibt es die cleveren: Um Kosten zu sparen, produziert man gar keinen Content, sondern läßt diesen ohne Gegenleistung von den Nutzern generieren — wie genial ist das denn? Autoren, die man nicht bezahlen muß! Und das ist dann wohl die Geburtsstunde der sozialen Medien. Und die Qualität der Beiträge kennt nur ein Meßkriterium; Wie lange hält man Nutzer bei Klicklaune auf dem eigenen Angebot. Nicht wegen der Beiträge, sondern wegen der Werbung. Deshalb ist es auch völlig Wumpe, ob ein Erklärbär wirklich lesenswerte Artikel bringt oder ein Impfgegner völlig abstruses Zeug. Beides generiert Scheingeld: Page Impressions.
Mit dem Aus von G+ entstand auf einmal eine neue Möglichkeit: Wer bei G+ war, war dort, weil er nicht zu FB wollte. Der will auch jetzt nicht zu FB. Da könnte das Fediverse als dezentrales soziales Netz einspringen.
Ich bezweifle, daß das gelingen wird. Es ist noch schlimmer als damals Usenet und die Tiernetze. Ja, irgendwie kann man miteinander reden, weil es ja alles Fediverse ist. In Wirklichkeit aber redet ein Oberbayer mit einem Friesen, und der Sachse nebenan reibt sich die Ohren. Jeder versteht die Hälfte.
Und das hatten wir alten Säcke (IN e.V.) damals vielleicht in der Hand: Nutzer ans Internet zu führen. Warum auch immer: es ist uns nicht gelungen.