Hamsuns Debüt-Roman von 1890.
Eine Handlung gibt es nicht.
Der Roman spielt in Kristiana, dem damaligen Namen von Oslo. Der Ich-Erzähler beschreibt den Verfall des “Helden”, eines obdachlosen Journalisten und Schriftstellers, der, wie der Titel schon sagt, hungert.
Das Buch spielt innerhalb weniger Wochen scheinbar in einem Herbst, jedenfalls ist das Wetter immer naß, kalt und grau.
Der Held hat kein Geld, so richtig gar keins, und auch keinen Besitz, bis auf das, was er am Leib trägt, und auch das ist zu wenig, abgerissen, dreckig.
Ab und an kommt er zu ein paar Kronen, die aber nie länger vorhalten, auch weil er sofort Gutes tut damit, nämlich wenigstens einen Teil anderen, die er ähnlich verzweifelt sieht wie sich selbst, zukommen läßt.
Ausführlichst wird der innere Zustand beschrieben. Verzweiflung, Hoffnung, Selbstbetrug, Ekel vor sich selbst und Hunger, Hunger, Hunger. Das ist großartige Literatur, ganz plastisch und präzise geschrieben.
Und merkwürdig. Denn es ist ja der Ich-Erzähler, der hier ganz plastisch und präzise sich selbst beschreibt, in einem Dauerzustand von Erregung und Apathie, Hunger und Delirium. Als säße der Erzähler souverän auf einer Wolke und betrachtete sein eigenes kümmerliches Dasein drunten.
Es gibt übrigens sogar eine Romanze, die — natürlich — kein happy end hat.
Gleichzeitig auch sieht der Held die anderen Leidensgefährten, die in der Gosse ihr Überleben organisieren. Da versucht er zu helfen (indem er, wenn er mal ein klein wenig Geld bekommen hat, einen Teil sofort weitergibt). Einmal gibt es eine Szene: Einem Kind auf der Straße (Gosse) spuckt ein Mann auf den Kopf. Das Kind weint vor Demütigung. Tage später ergaunert sich der Held Kuchen, den er sofort in sich reinstopft, er hatte wieder einmal gehungert. Doch den letzten Teil des Kuchens hebt er sich auf für das Kind und bringt den Kuchen vorbei. Er hat den Schmerz des Kindes gespürt und will helfen, doch so trostlos wie der Roman ist: Das ist keine Hilfe. Aber vielleicht doch ein kleines warmes Licht.
Am meisten bedrückend fand ich die Beschreibungen des Hungers: Daß er, wenn er nach langem Hungern wieder was ißt, das Gegessene sofort wieder erbricht. Wieder ißt, wieder bricht. Und darüber weint, weil er das Essen nicht behalten kann. Das ist fürchterlich luzid beschrieben.
Die Geschichte löst sich etwas unvermutet auf: Der Held heuert auf einem Schiff nach Leeds an und das Buch endet abrupt
Leseempfehlung? Schwierig. Wer gerne Kafka gelesen hat, sollte Hunger lesen. Dostojewski-Fans wohl auch. Freunde von Arztromanen eher nicht 🙂
#ausgelesen