Schätzungsweise wird heute an allen öffentlichen Meinungsecken über 30 Jahre Wiedervereinigung salbungsvoll schwadroniert werden. Genau weiß ich es nicht: Zeitung gibts aus nämlichem Grunde nicht, Im Radio läuft NDR Kultur, TV sehen wir seit Jahren nicht mehr. Aber die Nachrichten-Webseiten reichen schon, um eine Vorstellung zu bekommen.
Aber das ist größtenteils Quatsch, was ich da lese. Zunächst: Wiedervereinigung: Wieder impliziert, daß da etwas vereinigt wurde, was schon mal vereinigt war. In der nach dem WK II entstandene, also heute gültigen, geographischen Form hat es vor BRD und DDR kein vereinigtes Deutschland gegeben, niemals.
Da ist nichts wiedervereinigt worden vor 30 Jahren.
Man mag das Krümelkackerei nennen, mir ist die dahinterliegende Gefühlsduselei unangenehm.
Und überhaupt: Vereinigung? Unfug. Es gab den Beitritt der DDR zum Grundgesetz der BRD. Beitritt, nicht Vereinigung. Der Geltungsbereich des Grundgesetzes dehnte sich auf das DDR-Gebiet aus, gleichzeitig löste sich die DDR auf. Ein rein technischer Vorgang, den die Menschen gerade im Osten wollten. Nee, so ganz richtig ist das nicht. Es ging weniger um den Geltungsbereich des Grundgesetzes als vielmehr um den Geltungsbereich der D‑Mark. Seis drum. die Menschen wollten das, sehr viele haben ein besseres Leben als vorher bekommen, manche blieben auf der Strecke, aber über diese redet man nicht so gerne.
Allein wenn ich Fotos der Innenstadt meines Städtchens aus den 80-ern sehe und mit dem heutigen Aussehen vergleiche: Hat sich gelohnt, der Beitritt, und es gibt noch viel mehr solcher Vorteile, nicht zuletzt die Umwelt hat profitiert,
Aber (Wieder-)Vereinigung? Sehe ich nicht wirklich. Allein wenn man sieht, woher größtenteils die Immobilieneigentümer im Osten kommen. Nicht aus dem Osten.
Und noch was: Freiheit, Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit…: Das sind Errungenschaften des Herbstes 89, nicht des Einigungsvertrages, das hat mit dem heutigen Datum absolut gar nichts zu tun.