Weil sich zumindest im Radio gerade alle besoffen reden:
- Es hat keine Wiedervereinigung gegeben.
Wie denn auch: Wiedervereinigung impliziert, daß ein vorheriger Zustand der Vereinigung wiederhergestellt wurde. Nur: Dieses Deutschland von heute hat es vorher nie gegeben, das Deutschland von 1990 gab es nicht, es gab im Ergebnis des WKII eben zwei Deutschländer, von denen das eine am 3. Oktober 1990 dem Geltungsbereich der Verfassung des anderen beitrat — halb zog sie ihn, halb sank er hin. - Das DDR-Volk hat 1989 keine Revolution gemacht. Die DDR ist einfach implodiert, natürlich auch wegen der Demonstrationen, die aber erst machtvoll wurden, als die staatliche Ordnung kaum noch aufrechtzuerhalten war. Die ungarische Grenze zu Österreich wurde am 11. September 1989 aufgemacht, die Prager Botschaftsflüchtlinge reisten ab 30. September irrerweise über die DDR aus.
Die wichtigste Montagsdemo, bei der klar wurde, daß es keine chinesische Lösung geben würde, war dann am 9. Oktober in Leipzig. Danach gb es kein Halten mehr. Ab diesem Tag war alles entschieden. - Was folgte, war ein Machtvakuum bis etwa Januar/Februar 1990, bis die völlig überraschten BRD-Politiker ihre Chance begriffen, allen voran Kohl.
- Zum 3. Oktober 1990 und dessen mentale Folgen vor allem im Osten gehört auch eine Antwort auf eine einfache Frage: Wieviel Immobilienbesitz, wieviel Landbesitz ist in den Folgejahren in den Westen gelangt?
- Zu einer Rückbesinnung gehört die längst Überfällige historische Betrachtung der Treuhand: Wer hat profitiert, wer hat verloren, welche Eigentumsumschichtungen gab es, wer hat aus welchen Beweggründen wie gehandelt?
Das fehlt komplett, soweit ich sehe.
Was ich übrigens bis heute nicht verstehe: Wieso haben nicht die Staatsoberhäupter, sondern ein Innenminister der BRD und ein Staatssekretär der DDR den Einigungsvertrag unterzeichnet?
Hinterher ist man immer schlauer. Möglicherweise wäre es besser gewesen, wenn man die deutsche Einheit über ein neues Grundgesetz verwirklicht hätte, aber wahrscheinlich hätte das zuviel Zeit gekostet, Zeit, die die DDR-Bürger nicht mehr warten wollten.
Am Ende ist es ja doch recht gut geworden — mit manchmal großen Wunden freilich.