Bekanntermaßen gäbe es das Internet kaum ohne im Quelltext frei verfügbare Software nicht, ebensowenig ohne frei verfügbare Protokolldefinitionen. Würden morgen sämtliche Linux-Rechner ausfallen, wäre das wortwörtlich katastrophal. Überlegt mal, wieviele Smartphones mit Linux laufen (Android ist Linux), kaum ein Rechner auf dieses Welt wäre erreichbar, weil die allermeisten DNS-Server auf Linux laufen, das Auto springt nicht mehr an weil der Bordcomputer ausgefallen ist, Massen an Menschen sterben in Kliniken weil die medizinischen Geräte nicht mehr arbeiten — eine lange Latte an Katastrophen.
Linux ist DAS Beispiel für Opensource — also: ganz fraglos ein Beispiel dafür, daß Opensource mittlerweile unverzichtbar ist.
Also alles paletti?
Nein, so einfach ist es dann eben doch nicht.
Es wird immer behauptet, es sei ein Vorteil von Opensource, daß jeder in den Code sehen könne. Das ist ganz zweifellos ein Vorteil. Theoretisch. Denn das heißt noch lange nicht, daß auch jeder den Code liest (Debian hatte jahrelang keinen Zufall in openssl) oder versteht (ein Audit könnte zeigen, ob das FBI Backdoors in OpenBSD eingebaut hat). Anderseits gibt es auch Situationen, wo ein Blick in die Sourcen erklären kann, warum das gerade für drei Jahre vom Kollegen ausgestellte Webserverzertifikat von einem aktuellen Chrome beanstandet wird. Drei Jahre sind eben mehr als 825 Tage.
Aber allein die Verfügbarkeit der Quellen sagt noch nichts über die Qualität aus (die Nichtverfügbarkeit auch nicht)
Aber jeder kann den Code verändern, verbessern, eben weil er Opensource ist! Ja sicher. Es kann auch jeder Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen . Die großen Opensource-Projekte werden von Firmen gelenkt. Linux: IBM und Intel. Mysql/Mariadb: Oracle PHP: Wesentliche Beiträge von Facebook, ASF: Amazon, Microsoft, Facebook, Google. Klar kann man den Apachen forken und selber weiterentwickeln (wenn man kann). Aber Änderungen einbringen jenseits von Bugfixes? Wohl eher nicht.
Also warum Opensource? Ich denke, die Antwort ist so trivial wie immer: Kosten. Die ganzen Hoster lassen ihre VMs nicht nicht auf ESX laufen, weil das schlecht wäre, sondern weil das bei der schieren Anzahl der VMs unbezahlbar wäre. Wenn bei mir auf Arbeit jeder Apache/nginx durch einen IIS ersetzt würde, dann würde uns einiges Geld fehlen, was anderswo sinnvoller eingesetzt wäre. Und: Im kommerziellen Umfeld ist es meist völlig Wumpe, ob etwas Opensource ist oder nicht. Ob man nun RHEL mit Support kauft oder Windows mit Support: Am Ende des Tages haben alle einen Supportplan, der die schöne Welt des “kann jeder reinkucken, kann jeder ändern” komplett irrelevant macht. Das spielt überhaupt keine Rolle.
Aber: Opensource ist oftmals schlicht besser. Warum also nicht verwenden.
Und dann die Privatanwender: Opensource spielt da kaum eine Rolle. Fragt doch mal rum: Da wird “firefox-install.exe” doppeltgeklickt nicht weil es Opensource wäre, sondern weil alle sagen, der wäre besser als IE/Edge. Dito gilt für Chrome. Marketing. Keiner hat Chromium. Ach ja, versucht doch mal, bei der Roadmap von Chromium mitzureden. Ich kann mir den Erfolg lebhaft vorstellen…
Eins muß ich noch erratisch fallen lassen: Code Review ist NICHT vergleichbar mit simplem Korrekturlesen! Ich würde sogar behaupten, Code Review ist deutlich anspruchsvoller als das Coden selber.
In wieviel Tötungsdrohnen läuft wohl Linux?
Opensource ist mittlerweile in vielen Fällen ein kommerzielles Produkt.