Höre gerade wieder mal Renft. Es gibt viele wichtige Lieder von ihnen, dieses hier ist mir eins der wichtigsten:
1974, da war ich 12, diese Musik war nicht meine, und den Text hätte ich gar nicht verstanden. Doch wenige Jahre später hatte ich ein Ché-Poster (DAS Poster natürlich!) an der Wand zu hängen, und recht schnell kam ich von seiner nach Afrika exportierten Revolution zu Trotzkis Theorie der permanenten Revolution, zu Mühsam, weiter rückwärts zu Kropotkin, aber auch Nietzsche, Stirner, Kierkegaard und Shelley — und zurück also zu Renft 🙂
1974 also. Ulbricht war 1971 abgesetzt worden und 1973 gestorben. Honecker kam an die Macht, und die neue Losung war: Der Sozialismus hat ununmkehrbar gesiegt, jetzt geht es um den Aufbau des Kommunismus, der klassenlosen Gesellschaft, in der es keine sozialen Schranken mehr gibt. google://einheit+von+wirtschafts-+und+sozialpolitik. Das Wohnungsbauprogramm war wohl die wichtigste Maßnahme dabei, mit Honecker entstanden die ganzen Plattensiedlungen über die ganze DDR.
Also: Alles paletti, von nun an gehts uns gut.
Und da kommt doch Renft daher:
Nach der Schlacht war’n viel Kameraden tot
Und man stellt sich auf das verblieb’ne Bein
Und man meint, das müsse der Sieg schon sein
Hört ihr? Trotzki singt in seinem mexikanischen Grab! Denn es ist eben noch nicht der Sieg, auch wenn Honecker ihn verkündet hat.
Vergossen viel Blut doch gewonnen die Macht
Und die Schlacht um die Macht war die letzte Schlacht
Nun wird der Mensch fein menschlich sein
Kamerad ist nicht schad’
Um das Bein musste sein Kamerad
Macht war ein zentraler Bestandteil der DDR-Innenpropaganda. Macht für die Arbeiterklasse in Gestalt ihrer Vorhut: der SED. Natürlich in Gestalt des Politbüro. Und da wo dort nun die Macht gewonnen ist, fragt diese Combo aus Leipzig, ob der Preis dafür gerechtfertigt war, mit Betonung auf dafür.
Einer zeigt aus dem Fenster, da spazieren sie lang
Die neuen Menschen, der neue Mensch
Der sieht aus wie war
Außen und unter’m Haar
Wie er war
Die Menschen haben sich allerdings unterm Haar, also im Kopf, kaum geändert. Die Revolution muß weitergehen oder gar erst anfangen, nämlich bei den Menschen.
Wie gesagt, die SED-Führung hatte gerade die Vollendung der Revolution verkündet.
Daß Renft mit Auftrittsverbot belegt wurde, kann nicht verwundern.
Und was haben wir heute? Schlagerbarden ohne jeden Tiefgang (hatten wir damals auch, auch in der Zone, die ganze Zeit über)