Ich lese gerade — unter Anstrengungen — Dantes Göttliche Komödie. Bin noch weit am Anfang, 19 Gesänge habe ich hinter mir und muß ehrlich (fr|s)agen: Warum?
Ja, vor dem Ableben wollte ich wenigstens hinein gesehen haben.
Aber mir stellt sich eine generelle Frage: Der Text ist 700 Jahre alt, vollgestopft mit Verweisen auf zweitausend Jahre Literatur und Philosophie vorher. In einer Übersetzung, die hundert Jahre alt ist.
Wie liest man so etwas heute, mit nur minimaler Kenntnis des Hintergrunds, den Dante hatte? Schon am Versmaß scheitern wir. Aber soll man Dante deswegen nicht lesen? (Mir ist er ziemlich beschwerlich)
Johann Sebastian Bach war tief religiös. Müssen wir erst die Luther-Bibel lesen, auch die Apokryphen, um seine Oratorien und Messen hören zu dürfen? Und die weltlichen Kantaten — verstehen wir die einfach so, weil sie ja nicht religiös sind?
Kaum.
Rückerts Totenkinderlieder — müssen wir erst eigene Kinder sterben lassen?
Kaum.
Können oder dürfen wir Dinge genießen, einfach weil wir sie schön finden? (Und die Ästhetik des Häßlichen lasse ich mal angstvoll außen vor) Oder müssen wir uns erst mit den Zeitumständen der Künstler beschäftigen, auch mit ihren persönlichen Umständen?
Nebenbei versuche ich Mahler (6. Sinfonie) zu hören. Ja, ich höre sie. Und finde sie eher häßlich, was ganz sicher an meiner Unkenntnis liegt. Würde ich wenigstens 200 Jahre Musikgeschichte vor Mahler verstanden haben, könnte ich vermutlich auch seine sechste verstehen.
Aber ich habe nicht mehr so viel Zeit und Kraft 🙁