Von diesem Buch hatte ich per Zufall erfahren, morgens im Radio bei NDR Kultur. Das hörte sich interessant an, und so kaufte ich das Buch¹
Das Buch gliedert sich in zwei Teile: zuerst geht es um die Rettung der italienischen Nordpol-Expedition unter Nobile, dann um die Suche nach Amundsen und seiner Mannschaft. Amundsen war von Tromsø Richtung Spitzbergen geflogen, um bei der Suche nach der Nobile-Mannschaft zu helfen, ist dann aber verschwunden, alles im Sommer bis Frühherbst 1928, mit Ausläufern bis in die 30-er Jahre.
Das ist höchst detailreich und informiert geschrieben, die Autorin muß Jahre in Archiven zugebracht haben.
Beim Lesen wird einem bewußt, wie einerseits lebensfeindlich die Arktis ist und anderseits wieviel technischen Forstschritt wir seitdem hatten.
Tipp: es kommen ganz viele Ortsnamen vor, von Inseln, Kaps, Gletschern, Landmarken… die man sich auf einer Karte ansehen sollte, um eine Gefühl für die Dimensionen zu bekommen. Google Maps nützt da nichts, weil es die Orte nicht hat: Hier entlang! Im Epilog bezieht sich die Autorin ausdrücklich auf diese Karte.
Die Schwierigkeiten bei der Suche müssen enorm gewesen sein: Die Bruchlandung der Italia mit Nobile war im Seeeis. Die Überlebenden hatten faktisch keine Möglichkeit, ihre Position zu bestimmen, und selbst wenn sie die gehabt hätten: Die Eisscholle driftete bis zu 30 Kilometern am Tag.
Die ersten Wochen gab es keinen Funkkontakt, danach auch nur sporadisch. Doch auch dann wußte man nicht, wo sich die Verunglückten befanden.
Wie findet man die? Man muß suchen. Hubschrauber gab es noch nicht, Schiffe, wenn sie denn eisbrechend waren, viel zu langsam. Also Flugzeuge. Aber selbst wenn ein Flugzeug die Havaristen finden würde, wie könnte es den Ort bestimmen? Die Antwort ist einfach: gar nicht. GPS war noch nicht erfunden. Und wie landet man? Mit Wasserflugzeugen kann man nur ein einer genügend großen Rinne zwischen den Schollen landen, auf dem Eis bracht man eine genügend große und vor allem ebene Fläche.
Dazu die politische Situation: Norwegen war erst 1905 unabhängig von Schweden geworden, Mussolini wollte der Welt zeigen, daß sein faschistisches Italien auch in der Arktis Erfolge hat, die Sowjetunion ihre Ansprüche in der Arktis untermauern.
Und nicht zuletzt: Amundsen, der wohl unbedingt als erster Nobile finden wollte, für den das eine Frage seiner Männerehre war. Nobiles Rettung war wohl auch Amundsens Egotrip.
Ein spannendes Buch, eher Sachbuch als Roman. Die Faktenmenge ist manchmal erdrückend, dann muß man das Buch zur Seite legen und was anderes machen. Es ist sicherlich keine große Literatur, eher einfach geschrieben, viele kurze Hauptsätze. Aber das finde ich einem Sachbuch angemessen.
Was allerdings ärgerlich ist: Die lieblose Umsetzung als Ebook. Silbentrennung hätte schon viel geholfen, ebenso sind Hurenkinder ein typographisches Verbrechen.
Diese Schlamperei trübt das Lesevergnügen dann doch.
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Leseempfehlung? Ja, es ist ein spannendes Buch, kein Krimi. Und sogar ein wenig Verschwörungstheorie, weil Amundsens Schicksal dann doch offen gelassen wird. Vielleicht hat er ja überlebt?
#ausgelesen #addictedtothearctic
¹ Daß der Verlag für das Ebook exakt 1 Cent weniger als für die gebundene Ausgabe verlangt, ist dabei eine ausgemachte Frechheit.