Das ist eine “Rezension”, die ich 2016-11-16 12:58:39+0100 bei Google+ geschrieben hatte. und nun aus Gründen re-posten möchte.
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Projekt Phoenix — Der Roman über IT und DevOps
Die Story:
Der Held (Bill Palmer) wird anfangs zum IT-Chef (genauer: VP IT
Operations) der Firma Parts Unlimited befördert — eigentlich läßt er
sich eher breitschlagen, diesen Posten zu übernehmen. Parts Unlimited
ist eine Zulieferfirma (Autobau?, das wird nicht genauer erklärt) und
hat ca. 4000 Mitarbeiter. Der Firma geht es nicht gut, die Konkurrenz
ist schneller und beweglicher. Deshalb wurde das Programm Phoenix ins
Leben gerufen, das nun alles ändern soll. An Phoenix hängt die Zukunft
der Firma. Phoenix selbst ist en großer Klumpen aus Prozessen,
Verantwortlichkeiten — und eben auch (selbstgeschriebener) Software.
Sehr viel hängt dabei von der völlig überforderten IT ab.
Der erste Teil des Romans führt die handelnden Personen ein, und
illustriert ansonsten die deprimierende Situation in der Firma. Auf jede
Katastrophe folgt eine noch größere Katastrophe. Bill versucht zu
retten, was zu retten ist, aber die ihm zur Verfügung stehende Zeit ist
einfach zu kurz. Natürlich leidet auch seine Familie. Am Ende wird das
Projekt Phoenix mit Schmackes gegen die Wand gefahren (erinnert sich
jemand an die zusammenstürzende Seilbahn bei Alexis Sorbas — genau so!)
Verantwortlich letztlich ist der völlig inkompetente CEO der Firma, der
sämtliche Warnungen Bills in den Wind geschlagen hat. Bill kündigt
daraufhin.
In Teil 2 wird genau derselbe CEO über Nacht geläutert und sieht seine
Fehler ein. Bill wird wieder eingestellt und bekommt faktisch freie
Hand. Bereits im vorigen Teil tauchte ein Aufsichtsrats-Kandidat auf:
Erik, der fortan als Bills Mentor auftritt. In den Gesprächen zwischen
Erik und Bill geht es immer darum, erstens die IT als Produktion zu
verstehen und zweitens Bill begreiflich zu machen, daß er die
Gesamtorganisation im Blick haben muß, nicht nur die IT. Dabei ist Erik
eine merkwürdige Mischung aus einem weisen alten Kungfu-Lehrer und
Sokrates (Mäeutik) In diesem zweiten Teil schafft Bill es, die
wichtigsten Engpässe zu lokalisieren und beginnt mit ihrer Beseitigung.
In Teil 3 dann wird die Ernte eingefahren, die in Teil 2 gesät wurde.
Alles wird fein, die Firma läßt die Konkurrenz hinter sich, Bill steht
eine glänzende Karriere an der Firmenspitze in Aussicht.
Mein Senf:
Ein grauenvoll schlechter Roman. Die handelnden Personen sind allesamt
Klischees, die Handlung ist völlig vorhersehbar, die Personen entwickeln
sich nicht. Die plötzliche Läuterung des CEOs über Nacht wird weder
herbeigeführt noch irgendwie begründet. Es ist einfach passiert. Die
Dialoge sind schmerzhaft gestelzt und könnten einer Image-Kampagne für
irgendwas entnommen sein. Keine Lesempfehlung von mir.
Es sei denn, man hat irgendwie mit IT und Entwicklung zu tun. Der Autor
ist ehemaliger Mitgründer von Tripwire und versteht also etwas vom
Gegenstand des Buches: Wie baue ich ein funktionierendes Softwareprodukt
in möglichst kurzer Zeit? In Teil 1 wird die Ist-Situation dargestellt:
ein einziges Kuddelmuddel. Jeder Entwickler darf überallhin einchecken,
es gibt keine stable branches, CI/CD gibt es auch nicht, keine
definierten Testumgebungen usw. usf. Ab der Bestandsaufnahme und auch
im ganzen Teil 2 kommt Erik die Rolle zu, Bill und damit dem Leser die
Prinzipien von DevOPs nahezubringen. Dabei tritt er wie ein asiatischer
Guru auf. Teil 3 spielt gar keine Rolle mehr, der ist nur fürs Happy
End zuständig. Und da könnte dann auch der Lesegewinn für den
interessierten IT-ler/Entwickler liegen: die Herleitung von modernen
Prinzipien in der Software-Entwicklung. Nur ist die Frage, ob man dafür
nicht besser ein trockenes Lehrbuch gelesen hätte. Apropos Lehrbücher:
Die (es sind einige) werden auch kurz gewürdigt, da tauchen dann
penetrant solche Epitheta wie “wegweisend, fantastisch,
beeindruckend…” auf. Nicht mein Ding jedenfalls.
Offensichtlich aber wollte der Autor (genaugenommen die 3 Autoren) einen
Roman und kein Lehrbuch schreiben. Der Roman, der dabei herausgekommen
ist, ist leider eine Enttäuschung geworden.
Anhang:
Das bezieht sich alles auf das Ebook bei Amazon, und das ist leider
lieblos gemacht. Keine Silbentrennung, aber Blocksatz, dadurch teils
häßlich große Wortabstände. Völlig unmotivierte kursiv gesetzte
Passagen, meist am Absatzanfang. Schade, von O’Reilly darf man
mehr Sorgfalt erwarten.
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#ausgelesen