So, nach einigen Wochen habe ich dieses Buch nun endlich #ausgelesen. Ich kann gar nicht sagen, warum es so lange gedauert hat, am Stil liegt es sicherlich nicht: Das Buch liest sich gut. Und doch habe ich abends im Bett selten länger als fünf Minuten lesen können bis zur Müdigkeit.
Egal: Wie der Titel sagt, geht es um die “spanische Grippe”, die etwa von 1918 bis 1920 über die ganze Welt kam — eine Pandemie eben, wir wissen, was das ist.
Das Buch kam 2017 heraus, also nach SARS 2002 und Schweinegrippe 2009, aber vor COVID-19.
Es ist ein populärwissenschaftliches Buch im besten Sinne, wie es scheinbar die Angloamerikaner besser als die Deutschen können, bei uns ist “populärwissenschaftlich” ja immer noch leicht anrüchig. Die Autorin schreibt flüssig und faktenreich — was mir besonders gefällt: es ist alles durch umfangreiche Literaturverweise belegt, wobei auffällt, daß das Gros dieser Belege nicht aus dem Internet kommt, sondern aus Artikeln in Fachzeitschriften. Das gefällt mir, bedeutet es doch, daß die Autorin sich intensiv mit der Materie beschäftigt hat (was man übrigens auch aus den Danksagungen herauslesen kann)
Kurz: Die Autorin reitet nicht die Corona-Welle (wie auch, Erscheinungsjahr 2107), und ist gerade deswegen lesenswert und aktuell.
Das Buch fällt in zwei Teile: Im ersten wird die Ausbreitung der Grippe untersucht, auch, woher sie vielleicht stammt (das ist nicht ganz eindeutig, jedenfalls aber nicht aus Spanien) Und der Zusammenhang zwischen der Grippe und dem ersten Weltkrieg. Fraglos hatte die Grippe massive Auswirkungen auf den Krieg, ja, man kann sicherlich sagen: ohne die Grippe wäre der Krieg anders verlaufen. Nach der Lektüre wird man den ersten Weltkrieg vielleicht ein wenig besser verstehen.
Schon in diesem ersten Teil wird reichlich kühn und unvermittelt zwischen den Jahrhunderten und den Kontinenten hin- und hergesprungen. Das reicht von der vorchristlichen Antike bis heute, von China und Amerika bis Afrika und dem Rest der Welt. Das ist teilweise ermüdend, und manchmal scheinen mir die Querverbindungen eher mit Macht gezogen worden zu sein
Das gilt dann mehr noch für den zweiten Teil, der sich eher mit den Folgen der spanischen Grippe für die Wissenschaft und Gesellschaft bis heute beschäftigt. Da geht es viel um Virologie, Gesundheitspolitik. Im Nachhinein sage ich für mich: Den Teil hätte man deutlich kürzen können, als Leser kann man gerne schräg lesen.
Insgesamt: Ein augenöffnendes Buch. Denn es ist durchaus nicht so, daß unsere jetzige Situation aus dem Nichts gekommen wäre. Ein Beispiel: World invests too little and is underprepared for disease outbreaks — und dergleichen gibt es viele andere. Man wußte schon damals, daß die Grippe eine Viruserkrankung ist, auch wenn das Virus selbst erst weit später gefunden wurde. Man wußte, daß Masken helfen, Abstand halten, Schulen schließen… Und auch die Covidioten gab es schon damals. Das ist alles nicht neu, erschreckend ist, wie wenig wir gelernt haben.
Leseempfehlung? Ja!
Eine Leseprobe gibts hier, interessanterweise bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
Steht in dem Buch auch etwas zum Ende der Pandemie drin? Also warum die Pandemie geendet ist?
Jein.
Ein bedeutender Faktor für die weltweite Ausbreitung waren die Truppenverlegungen von Abermillionen Soldaten über die ganze Welt, es war eben WK I.
Mit dem Kriegsende (und nachdem die Soldaten wieder zurückgeholt waren) entfielen diese. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß die Mobilität heute viel größer ist. So wie ich das verstanden habe, hat das Kriegsende die Verbreitung des Virus beeinträchtigt.
Dazu kommt natürlich, daß man die Pandemie durchaus bekämpft hat. Abstand halten, Masken… sind keine neue Strategie