(Was wohl der Hanser-Verlag für dieses mißratene Cover bekommen haben mag?)
Ecos letzten Roman könnte man als Schelmenroman bezeichnen. Jedenfalls geht er in die Richtung.
Er spielt im heutigen (zur Zeit der Niederschrift) Italien. Ein reicher Emporkömmling (Hotels, Zeitschriften) möchte in die feine Gesellschaft aufgenommen werden, beschließt, eine Zeitung zu verlegen, die nie erscheint. Hört sich komisch an, ist auch so. Die Idee ist, in dieser Zeitung Themen so zu bearbeiten, daß der Leser meint, die Zeitung hätte brisante Informationen über Mitglieder der feinen Gesellschaft, und diese wäre dann erpreßbar. Das funktioniert natürlich nur — wie jede Erpressung — wenn das Pulver nicht verschossen wird. Dieser Verleger wird nur der Commendatore genannt, eine Analogie natürlich zu Berlusconi, Cavaliere.
Damit es nicht so einfach bleibt, zieht Eco eine weitere Ebene ein: Der Chefredakteur dieser Zeitung (Erinnerung: Es soll nie eine Nummer erscheinen) beauftragt den Ich-Erzähler, ein Buch über diese nie erscheinende Zeitung (als Ghostwriter) zu schreiben.
Der Roman selber spielt binnen weniger Monate zwischen April und Juni 1992. Nur soviel: Verschwörungstheorien (Mussolini hat bis 1968 in Italien gelebt, die gesamte italienische Nachkriegsgeschichte mit den roten Brigaden, Gladio, P2, Mafia, Falcone, Aldo Moro…) ist ohne Mussolini nicht denkbar, ein Mord (der mit den Recherchen zu Mussolini zusammenhängt), und auch eine Liebesgeschichte.
Dazu ist das Buch raffiniert komponiert in eine Rahmenhandlung. Nur daß die schließende Klammer der Rahmenhandlung nicht am Ende steht, sondern etwa bei 75%. Und voller Anspielungen auf Bücher. Ich habe wenigstens Edgar Allen Poe gefunden, Alexandre Dumas, Herman Melville, Robert Musil, und ganz sicher sind mir weitere entgangen. Da blitzt dann der Schalk des Eco durch 😉
Ich fand das Buch anfangs zäh zu lesen, ab dem zweiten Drittel dann (mit der Mussolini-Geschichte) nimmt es dann ordentlich Schwung auf.
Es ist ein wenig zwitterhaft: am Besten beschreibt man es wohl als breit ausgewalzte Streichholzbriefe in Romanform. Als Italiener in den 90-ern des vorigen Jahrhunderts konnte man das sicherlich sehr viel besser würdigen als grumpiger Vorpommer heute.
Leseempfehlung? Ja klar! Es ist ein Eco, sicherlich nicht sein bester, aber immernoch weit über dem Niveau durschnittlicher Literatur.
#ausgelesen