Ich habe mal wieder ein Buch #ausgelesen, diesmal mit über 600 Seiten ein recht umfangreiches. Juli Zeh, Unterleuten.
Der Roman spielt im im Wesentlichen im Sommer 2010 in einem brandenburgischen Dorf. Handelnde sind die Dorfeinwohner, von denen jeder eine Geschichte hat, jeder mit jedem in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis steht. Ein Gesellschaftsroman zweifellos, aber auch ein Drama. Schon die Einteilung in Akte und Szenen legt das nahe, aber auch der gesamt Aufbau des Romans: zuerst werden die personae dramatis vorgestellt, dann kommt die Handlung, dann das Finale.
Es geht um einen Windpark, der Fläche braucht. Es gibt mehrere mögliche Flächen, mit unterschiedlichen Besitzern. Wer der Winkraft-Firma Land verpachten kann, wird reich werden. Aber auch das Dorf würde durch Steuereinnahmen finanziell saniert werden. Hinzu kommen dann Naturschützer (aus der Stadt hinzugezogen) und weitere Einzelinteressen.
Alte Feindschaften brechen brechen auf, neue entstehen. Das Windkraftvorhaben wirkt wie ein Katalysator, es schafft keine Konflikte, aber befeuert sie.
Und Gegensätze werden zuhauf behandelt: Alte gegen Junge, Einheimische gegen Zugereiste, Umweltschutz gegen Energiewende, Reiche gegen Arme, Wessis gegen Ossis, Macher gegen Getriebene, Gewinner gegen Verlierer… — zuviel für meinen Geschmack.
Der Roman mit all seinen Personen, bei denen es schwer fallen kann, den Überblick zu behalten¹ ist am Reißbrett entworfen, die Handlung und die Personen wirken sehr durchdacht, was durchaus nicht negativ gemeint ist.
Allerdings bleiben die Personen Typen, die so bleiben wie sie angelegt sind. Da entwickelt sich niemand, jeder ist in seinen Interessen gefangen und bleibt auch da.
Keiner ist liebenswürdig, und das fällt auf: Es gibt keine Liebe in dem Buch. Natürlich gibt es Paare, Kinder, auch Sex, aber nirgends gibt es Liebe. Wohl weil jeder seinen eigenen Plan hat.
Das ist in der ersten Buchhälfte alles ganz angenehm zu lesen, Frau Zeh erfindet immer wieder neue, poetische Bilder, um ihre Protagonisten zu beschreiben. Dann wurde es mir aus genau diesem Grunde langweilig: Die Personen waren mir nun zur Genüge bekannt, ich brauche nicht die drölfzigste Beschreibung, nicht mehr nach 300, 400 Seiten.
Wenigstens zieht die Handlung dann nach zwei Dritteln an, bis es zum Schluß zur Katastrophe kommt.
Ganz am Ende gibt es dann noch einen längeren Epilog, von der fiktiven Romanautorin verfaßt. Das ist schon raffiniert.
Ich habe die Kindle-Ausgabe gelesen, da ist X‑Ray ein Segen gewesen.
Leseempfehlung? Ja! Das ist ganz sicher einer der besten neueren deutschen Romane.
¹ hätte ich doch beim Lesen https://unterleuten.de/unterleuten.html gekannt!
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