Das Zerstör-Video von #Rezo: Über 14 Millionen Aufrufe. Doch haben auch über 14 Millionen Menschen wirklich 55 Minuten lang das Video verfolgt? Oder haben vielleicht 5 Millionen nur geklickt, weil irgendwo stand: 9 Millionen haben schon geklickt? Vielleicht haben auch 3 Millionen mehrmals geklickt?
Oder anders: Wie weit reicht dieses Video tatsächlich? Ich gehe da mit Fleischhauer mit¹: Es dürfte auf die EU-Wahl nur einen marginalen Einfluß gehabt haben. In die Machtetagen wurde das Video nicht durch 14 Millionen Klicks gebracht, sondern durch die Berichterstattung über die Klicks. Das ist gar nichts anderes als wenn die Reichweite einer Talkshow² gemessen würde: “Oh, n Millionen Zuschauer! Da müssen wir dabei sein!” Doch egal ob nun das Video die wahl mehr oder weniger oder gar nicht beeinflußt hat: Es hat Wirkungen auf die Art, wie Politik gemacht wird. Schon jetzt, peinlicherweise, doch dazu später.
Zunächst: Es gibt einen der CDU nahestehenden “Digital-Verein”, das cnetz. Die haben ein interessantes Diskussionspapier herausgebracht — egal was fefe medieninkompetent darüber lästert (er hat das Dokument offenbar nicht gelesen). Ich gehe mit fast allem mit, nur Punkt 3 (Kommunikation und die Influencer) scheint mir albern — und ist auch nicht im Takt des gesamten Dokumentes, als hätte man diesen Abschnitt an jemanden vom Marketing outgesourct. Auf jeden Fall: lesens- und überdenkenswert, auch wenn die Probleme der CDU nun ganz gewiß nicht meine Probleme sind.
Tja, und dann lesen das Leute bei der CDU auf den oberen Machtsprossen. Oder wahrscheinlicher: sie lassen lesen — und wohl auch denken. Und twittern dann doch, obwohl seit Trump und Musk doch öffentlich ist, daß für kleine Geister betreutes Twittern besser ist? Oder wie anders ist dieser anbiedernde und völlig aus dem Ruder gelaufene Tweet der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu begreifen? Die Diskussion dann ist überfliegenswert: Zunächst die berechtigten Sarkasmen, ob denn die CDU nicht mehr an der Regierung sei, sondern die Influencer namentlich Rezo? Bis dann der Vorgartenzwerg aufschreit, man wolle ihm seinen Spanien-Urlaub wegnehmen und überhaupt wäre Rezo voriges Jahr auf die Malediven geflogen — was er offensichtlich getan hat.
Frau Leikert hat dann recht schnell das Handtuch geworfen, vielleicht sucht sie ja noch nach dem Lösch-Knopf.
Ich lese das so: Flaischhauer hat Recht. Bei der CDU sind sie momentan ein aufgeschreckter Hühnerstall weit jenseits jeglicher Souveränitität. Anders als Fleischhauer wünsche ich mir, daß dieser Zustand anhalten möge.
Doch noch etwas zu Rezo: Ich habe, wie gesagt, das Video nur zu Teilen gesehen. Das Format, die Schnitte, die hektischen Handbewegungen, die hektische Sprache, die alarmistischen Vereinfachungen (“zehntausende deutsche Wissenschaftler”) — das ist alles nicht meins, aber ich bin ja auch nicht Zielgruppe. In der Aussage aber hat der Mann natürlich Recht, das ist gar keine Frage.
Und obwohl ihm eine Bedeutung zugesprochen wurde, die er m. E. nicht hat, habe ich Angst, daß nun die Diffamierungsmaschine losfeuert. Der Maledivenurlaub paßt ja schon mal. Und vielleicht hat er ja auch seine Katze umgebracht und hat mal geschnupft. Vielleicht ist er ja überhaupt ein unfaßbar großes Arschloch. Kann ja sein.
Aber wenn man das Video schon ernst nimmt, dann soll man den Mann auch ernst nehmen. Reines Anti-Marketing hilft da nicht.
Und wer nach der SPD fragt: Wie peinlich ist das denn? Daß Kevin Kühnert, der doch vorher durch Klugheit aufgefallen ist, bei dieser Schmierenkomödie mitmacht — peinlich!
¹ Das ist natürlich peinlich, bitte nicht weitererzählen. Aber seine Argumentation ist stringent, die Wadenbeißereien kann man überlesen.
² Ich sehe so alle paar Monate einmal in eine Talkshow hinein, länger als 3 Minuten geht meistens nicht. Das ganze Format scheint mir völlig aus der Zeit gefallen