Oh ja. Ich war im ersten Lehrjahr und über die Feiertage zu Hause in Greifswald. Am 28. begann es zu schneien, so schlimm, daß schon zu Feierabend kaum noch ein Wegkommen aus der Stadt war. Soweit ich mich erinnere, sind viele aus den umliegenden Dörfern zu Fuß nach Hause gegangen, in eher ungeeigneter Kleidung. Aber wenn kein Bus mehr fährt?
Mein Kumpel Martin kam von Schwerin mit der Bahn. Bis Rostock ging es ja noch — von Rostock dann die letzen 100 Kilometer dauerten 24 Stunden. Silvester war die Stadt dicht — nichts ging mehr. Die Züge blieben festgefahren auf offener Strecke liegen, andere schafften es noch bis zu irgendeinem Kleinstadtbahnhof. Busse fuhren gar keine mehr.
Ich weiß noch, daß die Bäckereien angewiesen wurden, keinen Kuchen mehr zu backen, da das Mehl für Brot gebraucht wurde. Das muß man sich mal vorstellen: Die Stadt hatte ca. 70.000 Einwohner — und wenigstens kurzfristig keine Versorgung, nichts. Und wie lange der Zustand anhalten würde, konnte niemand sagen. Kein Weg rein, keiner raus aus der Stadt.
In meiner Erinnerung normalisierte sich die Lage bei uns — anders als auf Rügen — recht schnell.
Aber dann, im Februar, kam eine zweite Welle — und die war schlimmer.
Da war dann ja noch das KKW in Lubmin, ca. 20 Kilometer entfernt. Da arbeiteten Tausende, die normalerweise mit dem Zug auf Arbeit fuhren — Züge fuhren aber nicht mehr. Man hatte dann Schützenpanzer geholt — die blieben im Schnee stecken. Aber so ein KKW kann man nicht einfach unbeaufsichtigt laufen lassen. Die ersten Besatzungen, die nicht wegkamen, schliefen auf ausgehängten Türen — kraß. Jedenfalls als auch die SPWs stecken bleiben, bleiben nur noch Hubschrauber. Der “Flugplatz” war dann ein Sportplatz inmitten einer Plattenbausiedlung. Hubschrauber sind verdammt laut — und Plattenbauten reflektieren Schall ziemlich gut…
Und während die erste Katastrophe zum Jahreswechsel auf den Norden beschränkt war, breitete sich zumindest der Frost während der zweiten Katastrophe nach Süden aus, auch in die Braunkohletagebaue, in denen die Bagger festfroren. Soldaten mußten dann mit Brechstangen die Kohle “ernten”.
Ich glaube, in diesem Winter stand die DDR kurz vor dem Zusammenbruch.
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