Vor 40 Jahren

http://www.spiegel.de/einestages/schneekatastrophe-in-norddeutschland-1978-blizzard-an-der-waterkant-a-1244435.html

Oh ja. Ich war im ers­ten Lehr­jahr und über die Fei­er­ta­ge zu Hau­se in Greifs­wald. Am 28. begann es zu schnei­en, so schlimm, daß schon zu Fei­er­abend kaum noch ein Weg­kom­men aus der Stadt war. Soweit ich mich erin­ne­re, sind vie­le aus den umlie­gen­den Dör­fern zu Fuß nach Hau­se gegan­gen, in eher unge­eig­ne­ter Klei­dung. Aber wenn kein Bus mehr fährt?
Mein Kum­pel Mar­tin kam von Schwe­rin mit der Bahn. Bis Ros­tock ging es ja noch — von Ros­tock dann die let­zen 100 Kilo­me­ter dau­er­ten 24 Stun­den. Sil­ves­ter war die Stadt dicht — nichts ging mehr. Die Züge blie­ben fest­ge­fah­ren auf offe­ner Stre­cke lie­gen, ande­re schaff­ten es noch bis zu irgend­ei­nem Klein­stadt­bahn­hof. Bus­se fuh­ren gar kei­ne mehr.
Ich weiß noch, daß die Bäcke­rei­en ange­wie­sen wur­den, kei­nen Kuchen mehr zu backen, da das Mehl für Brot gebraucht wur­de. Das muß man sich mal vor­stel­len: Die Stadt hat­te ca. 70.000 Ein­woh­ner — und wenigs­tens kurz­fris­tig kei­ne Ver­sor­gung, nichts. Und wie lan­ge der Zustand anhal­ten wür­de, konn­te nie­mand sagen. Kein Weg rein, kei­ner raus aus der Stadt.
In mei­ner Erin­ne­rung nor­ma­li­sier­te sich die Lage bei uns — anders als auf Rügen — recht schnell.

Aber dann, im Febru­ar, kam eine zwei­te Wel­le — und die war schlimmer.
Da war dann ja noch das KKW in Lub­min, ca. 20 Kilo­me­ter ent­fernt. Da arbei­te­ten Tau­sen­de, die nor­ma­ler­wei­se mit dem Zug auf Arbeit fuh­ren — Züge fuh­ren aber nicht mehr. Man hat­te dann Schüt­zen­pan­zer geholt — die blie­ben im Schnee ste­cken. Aber so ein KKW kann man nicht ein­fach unbe­auf­sich­tigt lau­fen las­sen. Die ers­ten Besat­zun­gen, die nicht weg­ka­men, schlie­fen auf aus­ge­häng­ten Türen — kraß. Jeden­falls als auch die SPWs ste­cken blei­ben, blei­ben nur noch Hub­schrau­ber. Der “Flug­platz” war dann ein Sport­platz inmit­ten einer Plat­ten­bau­sied­lung. Hub­schrau­ber sind ver­dammt laut — und Plat­ten­bau­ten reflek­tie­ren Schall ziem­lich gut…
Und wäh­rend die ers­te Kata­stro­phe zum Jah­res­wech­sel auf den Nor­den beschränkt war, brei­te­te sich zumin­dest der Frost wäh­rend der zwei­ten Kata­stro­phe nach Süden aus, auch in die Braun­koh­le­ta­ge­baue, in denen die Bag­ger fest­fro­ren. Sol­da­ten muß­ten dann mit Brech­stan­gen die Koh­le “ern­ten”.

Ich glau­be, in die­sem Win­ter stand die DDR kurz vor dem Zusammenbruch.

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